Bisphenol A ist eine der am meisten verbreiteten Industriechemikalien überhaupt und kann im Urin fast aller Menschen auf der Welt nachgewiesen werden. Aufgrund seiner hormonähnlichen Molekülstruktur hat die Aufnahme von BPA sowohl für Mensch als auch Tier zum Teil schwerwiegende Konsequenzen.
Bisphenol A (kurz BPA) ist eine der meist-produzierten Industriechemikalien weltweit. Bereits 2003 wurden knapp 3 Millionen Tonnen hergestellt. BPA wird für die Produktion von Epoxidharzen und Polycarbonat verwendet und findet sich so in Konserven und Getränkedosen, in Lebensmittelverpackungen, Getränkeflaschen, PVC-Rohren, Spielsachen etc. wieder. Mit anderen Worten: BPA ist ubiquitär. Dies wurde auch durch eine Vielzahl an Studien nachgewiesen – bei 90% der Weltbevölkerung ist BPA im Urin nachweisbar (1).
BPA besteht aus 2 Phenolringen, die über eine Methylbrücke verbunden sind. Ihr Aufbau erinnert dabei stark an das Geschlechtshormon Östrogen bzw. Estradiol. Genau diese Struktur ist es, die BPA zu einem sogenannten endokrinen Disruptor macht – indem es massiv in den Hormonhaushalt von Lebewesen eingreift (2).
Die Wirkung von BPA wurde 1993 rein zufällig entdeckt, als eine Forschungsgruppe bei Brustkrebs-Zellkulturen überraschenderweise eine massive Zellvermehrung feststellte. Wie sich schließlich herausstelle, wurde BPA nach dem Autoklavieren von Plastikflaschen, in denen diverse Nährmedien hergestellt wurden, ausgewaschen und so in die Zellkulturen transferiert, die sich anschließend scheinbar grundlos und unberechenbar zu teilen begannen (3).
Auch wenn BPA mittlerweile fast allgegenwärtig scheint, ist der ökologische Impact unterschiedlich. Als Medium zu vernachlässigen ist Luft, da nachgewiesen werden konnte, daß BPA an der Luft nur eine Halbwertszeit von maximal 7 Stunden hat.
Problematischer hingegen sind Abwässer aus der Industrie, wodurch BPA in Flüsse und Seen gelangt. Zwar gibt es Bakterien, die in der Lage sind, das Molekül abzubauen, aber dennoch hat BPA in Süßwasser eine Halbwertszeit von ca. 3-5 Tagen - genug, um sich in der Galle und Leber von Fischen abzulagern und in deren Hormonhaushalt einzugreifen. Über Abwässer und teilweise auch Mülldeponien kann BPA ebenso in den Boden gelangen. Dort hat es in etwa eine Halbwertszeit von 3 Tagen, kann allerdings unter Umständen von dort aus wieder ins Grundwasser gelangen.
Noch drastischer sind die Auswirkungen in den Meeren, denn BPA hat in Salzwasser eine Halbwertszeit von 30 Tagen und somit noch mehr Zeit, sich in marinen Lebewesen einzulagern – deshalb ist die BPA-Konzentration in Garnelen, Muscheln, Tintenfisch und Meeresfischen generell noch höher.
Hauptaufnahmequellen sind Dosen, Konserven, Plastikflaschen und Lebensmittelverpackungen. Diese sind häufig mit Epoxidharzen beschichten, um sie hitze-, säure- und ölbeständig und widerstandsfähig zu machen. Dabei ist die „Migration“ von BPA vor allem temperaturabhängig. Wird das Produkt schon beim Herstellungsprozess erhitzt, gelangt BPA rascher in das Lebensmittel oder Getränk. Ist dies nicht der Fall und wird das Produkt einfach über einen längeren Zeitraum, z.B. 70 Tage gelagert, geht der Prozess langsamer vonstatten, führt aber am Ende des Tages zu derselben Konzentrationen im Lebensmittel (4).
Wer mehr Konservenlebensmittel konsumiert, hat höhere BPA-Konzentrationen im Urin.
Dies wurde durch mehrere Studien nachgewiesen und zeigt zumindest eine Möglichkeit, die Aufnahme dieser schädlichen Chemikalie zu verringern (5).
Die potentiellen Risiken und Konsequenzen sind so vielfältig, daß es unmöglich scheint, hier alle aufzählen zu können. Es gibt Hinweise, daß die Aufnahme von BPA durch die Nahrung zu Leberschädigungen führt, Übergewicht fördert, Typ II Diabetes hervorrufen kann und zu Schilddrüsenfehlfunktionen führt. Während der Schwangerschaft aufgenommen kann es später bei Kindern zu Verhaltensauffälligkeiten, neurologischen und kognitiven Defiziten, Depressionen und Angststörungen kommen. Eine Studie konnte zeigen, daß sich die Pubertät bei Jungen geringfügig verzögert und den Testosteronspiegel senkt, bei Mädchen tritt wiederum genau das Gegenteil auf – die Pubertät tritt früher ein. Bei Männern senkt es die Konzentration und Mobilität der Spermien. Bei Frauen könnte es durch Beeinflussung der Eierstöcke, Eilleiter, der Gebärmutter und auch der Hypophyse zu verringerter Fertilität kommen (6, 7, 8).
Warum tut niemand etwas dagegen?
Tatsächlich wurde versucht, Alternativen zu entwickeln. Mittlerweile gibt es z.B. die Bisphenole B, E, F, S und 4-Cumylphenol. Bisphenol S greift zwar am wenigsten in den Östrogen- und Testosteron-Haushalt ein, wirkt sich aber dafür am meisten auf den Progesteron-Haushalt aus. Wie man es auch dreht und wendet – aufgrund der Molekülstruktur haben alle diese Chemikalien eine hormonähnliche Wirkung (9).
Wie kann jeder einzelne von uns tun?
So haarsträubend dies in seiner Gesamtheit klingen mag – ein bisschen etwas können wir vielleicht selber tun, um dem entgegenzuwirken.
Zuerst einmal gilt es, Plastik zu vermeiden, so gut es eben geht. Damit tun wir somit nicht nur der Umwelt, sondern auch uns selbst etwas Gutes. Ich wurde kürzlich von einer Freundin gefragt, wie das denn nun sein, wenn sie eine Plastiktrinkflasche längere Zeit verwende und was passiert, wenn sie diese im warmen Auto liegen lasse. Tatsächlich ist das gar nicht so das Problem. Ja, eine gewisse Dosis BPA wird irgendwann im Lebenszyklus der Flasche getrunken werden. Liegt die Flasche mal im warmen Auto, dann löst sich das BPA schneller heraus und man nimmt eine größere Konzentration zu sich. Dafür ist die Flasche dann aber bald „BPA-frei“, weil sich bereits alles herausgelöst hat. Am schlechtesten wäre es wohl, häufig die Flasche zu wechseln – denn so würde man ständig wieder größere Mengen davon zu sich nehmen. Die beste Alternative wäre eine wiederverwendbare Flasche aus Metall.
Auch vom oben genannten Zusammenhang zwischen dem häufigen Verzehr von Konserven und der BPA-Konzentration im Urin kann man ableiten - wer frischer isst und häufiger kocht, nimmt weniger BPA zu sich.
Unangenehm wird es leider bei Meeresfisch und Seafood - wie bereits angesprochen liegt die Halbwertszeit von BPA in Meerwasser bei ungefähr 30 Tagen, weshalb es in marinen Organismen natürlich besonders angereichert wird.
Besonders in der Schwangerschaft sollte man all diese Dinge vermeiden. Das ungeborene Kind im Mutterleib ist diesen negativen Effekten unglücklicherweise am stärksten ausgesetzt – und muss später möglicherweise die meisten Folgen davontragen.
Den meisten Müttern ist bekannt, daß Folsäure sehr wichtig für eine gesunde Entwicklung des Kindes während der Schwangerschaft ist. Ein Mangel kann zu Fehlbildungen des Neuralrohrs oder auch zu Herzfehlbildungen beim Embryo führen. Interessanterweise konnte eine Studie nachweisen, daß Folsäure aber auch gewissen negativen Effekten von BPA entgegenwirken kann. Die Studie hat dies zwar nur am Maus-Modell nachgewiesen, aber da es hier um epigenetische Effekte im Zusammenhang mit der Methylierung von DNA handelt, lässt sich dieses Ergebnis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf den Menschen umlegen (10).
Alles in allem lässt sich BPA nicht wirklich umgehen, aber vielleicht minimieren. In erster Linie ist es wichtig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen und etwas mehr darauf zu achten, was man konsumiert. Plastik und Konserven zu reduzieren ist dabei eine gute Strategie – die Umwelt freut sich und der Körper dankt es einem ebenso.
(1) Calafat et al., 2005. Urinary concentrations of bisphenol A and 4-nonylphenol in a human reference population. Environ Health Perspect 113(4):391-395
(2) Takeuchi et al., 2004. Positive relationship between androgen and the endocrine disruptor, bisphenol A, in normal women and women with ovarian dysfunction. Endocrin J 51(2): 165-169
(3) Krishnan et al., 1993. Bisphenol A: an estrogenic substance is released from Polycarbonate flasks during autoclaving. Endocrinology 132:2279-2286
(4) Kang et al., 2006. Human exposure to bisphenol A. Toxicology 226: 79-89
(5) Inoue et al., 2003. Size-exclusion flow extraction of bisphenol A in human urine for liquid chromatography-mass spectrometry. J Chromatogr. 798:17-23
(6) Lang et al., 2008. Association of Urinary Bisphenol A Concentration with Medical Disorders and Laboratory Abnormalities in Adults. JAMA 300(11):1303-1310
(7) Braun et al., 2011. Impact of Early Life Bisphenol A Exposure on Behavior and Executive Function in Children. Pediatrics 128(5):872-883
(8) Ziv-Gal et al., 2016. Evidence for bisphenol A-induced infertility in women: a review. Fertility and Sterility 106(4):827-856
(9) Rosenmai et al., 2014. Are Structural Analogues to Bisphenol A Safe Alternatives? Toxicological Sciences. 139(1):35-47
(10) Dolinoy et al., 2007. Maternal nutrient supplementation counteracts bisphenol A-induced DNA hypomethylation in early development. PNAS 104(32):13056-13061
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