Ich habe mich lange gewehrt. Aber jetzt hat sie auch mich – die Winterdepression. Der Trubel von Weihnachten und Silvester ist vorbei, die Glühweinstandln haben dicht gemacht und man kann sich abends nur noch verzweifelt an eine Tasse Kräutertee krallen. Die Tage sollten bereits wieder länger werden, aber ich persönlich habe den Eindruck, daß sie seit einiger Zeit wieder dünkler werden, obwohl ich jeden Morgen zur selben Uhrzeit aufstehe. Vielleicht ist es schon die Asche der australischen Waldbrände, oder einfach nur mein derzeitiger Gemütszustand.
Jeder spürt die Abwesenheit von Sonne, Leben und Wärme anders. Ich bin seit einer Woche müde. Ich merke, wie meine Leistungsfähigkeit sinkt. Ich bin nicht todtraurig, aber auch nicht besonders gut drauf. Der Januar zieht die letzten Reste an Lebensenergie aus mir wie aus einer fast leeren Batterie.
Dieser Zustand macht nicht besonders viel Spaß und eigentlich habe ich Besseres zu tun, als mich unproduktiv von A nach B zu schleppen. Bis die ersten Krokusse und Schneeglöckchen aus der Erde hervorlugen, sind es noch ein paar Wochen und da müssen wir alle durch. Wer heuer wie ich keinen Skiurlaub in den Bergen oder Tauchurlaub in den Tropen geplant hat, muss sich anderweitig helfen.
Glücklicherweise gibt es doch ein paar Tricks, die einen über diese fürchterlichste aller Jahreszeiten hinüberretten. Ich werde dieses Repertoire für mich persönlich auspacken, anwenden und auf den März warten.
1. Vitamin D
Vitamin-D-Mangel ist wahrscheinlich eine der Hauptursachen für die Winterdepression. Man kann Vitamin D über den Verzehr von „Fettfischen“, also Lachs, Aal, Sardinen, Hering und dergleichen aufnehmen. Das Tolle ist, daß unsere Haut aber auch Vitamin D herstellen kann. Dazu benötigt sie allerdings UV-B-Strahlung durch Sonnenlicht, und die ist im Winter rar. Ein Besuch im Solarium wird kaum Abhilfe schaffen, da es sich hierbei meist um UV-A-Strahlung handelt. Leider ist auch der Einfallswinkel der Sonne von großer Wichtigkeit. Im Winter kann auf dem 51. Breitengrad gar kein Vitamin D mehr gebildet werden, selbst bei voller Sonneneinstrahlung. Wien liegt auf dem 48. Breitengrad. Mit anderen Worten: Es ist viel zu wenig.
Um also an das für unseren Gemütszustand so wichtige Vitamin D zu kommen, können wir nur entweder sehr viel Fisch essen, oder wir versorgen uns mit Vitamin D-Präparaten aus der Apotheke. Eine Supplementierung mit Vitamin-D-Tropfen ist in jedem Fall zu empfehlen, da Vitamin D-Mangel auf der Nordhalbkugel beinahe als Volkskrankheit bezeichnet werden kann und neben Depressionen eine Vielzahl an anderen gesundheitlichen Folgen haben kann. Sogar eine niedrigere Lebenserwartung durch Vitamin-D-Mangel konnte in den letzten Jahren recht eindeutig nachgewiesen werden.
2. Johanniskraut
Johanniskraut (Hypericum perforatum) wurde wahrscheinlich schon von unseren keltischen und germanischen Vorfahren genutzt. Die Pflanze wird mit dem Lichtgott Baldur assoziiert, die hübschen kleinen 5-blättrigen Blüten erinnern an die Sonnenscheibe.
Johanniskraut wird gerne bei leichten bis sogar mittelschweren Depressionenen und Gemütsverstimmungen gegeben. Sein Hauptwirkstoff Hyperforin greift in die Regulierung der Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin ein und führt in weiterer Folge zu einer Erhöhung der Konzentration an Gamma-Aminobuttersäure (GABA) und Dopamin.
Ich selbst sammle im Sommer immer gerne einen Wintervorrat an Johanniskrautblüten, die ich trockne und darauf zurückgreife, wenn ich sie brauche. Die meisten Leute tun das wahrscheinlich nicht, können sich aber jederzeit in der Apotheke mit Johanniskraut-Tee versorgen und so ihre Winterdepression ein wenig im Zaum halten.
Achtung! Bei Johanniskraut sollten die Dosierungsempfehlungen unbedingt eingehalten werden! Eine Überdosierung kann zu Lichtempfindlichkeit führen. Außerdem sollten es auf keinen Fall Menschen anwenden, die konventionelle Psychopharmaka und Antidepressiva sowie Immunosuppressiva einnehmen.
3. Chili
Seit einigen Jahren mehren sich Untersuchungen zur antidepressiven Wirkung von Chili (Capsicum annuum). Die Einnahme von Capsaicin – derselbe Inhaltstoff, der Chili auch scharf macht - führt zu einer Blockierung der NMDA-Rezeptoren, was wiederum antidepressiva-artige Effekte zur Folge haben soll. Obendrein soll Capsaicin durch den leichten Schmerz in Zunge und Mund, den es beim Essen von scharf gewürzten Speisen hervorruft, die Endorphin-Ausschüttung fördern. Außerdem enthält Chili Vitamin P (!), ein Vitamin, von dem die meisten Menschen noch nie gehört haben, das aber existiert. Es ist vor allem in Chili zu finden und sorgt für die Stabilisierung der Blutgefäße.
Offensichtlich gibt es viele gute Gründe, häufig Chili zu essen. Menschen, die nicht gerne scharf essen, sei gesagt – man kann die Verträglichkeit trainieren! Man muss nicht gleich Unmengen davon verwenden, bis der gesamte Rachenraum in Flammen steht. Aber man kann über einen längeren Zeitraum immer wieder Chili essen und die Menge langsam steigern.
4. Golden Milk
Es handelt sich dabei um ein mittlerweile recht populäres heißes Milchgetränk mit Curcuma – auch Gelbwurz genannt. Der Umstand, daß die Inhaltsstoffe von Curcuma nur in Kombination mit schwarzem Pfeffer wirksam sind, ist ebenso bereits vielen Leuten bekannt.
Man schreibt der Gelbwurz eine Vielzahl gesundheitsfördernder Eigenschaften zu – sie soll das Immunsystem stärken, den Blutdruck senken, entzündungshemmend, gedächtnis- und verdauungsfördernd sein und vor allem als leichtes Antidepressivum wirken. Letzteres wurde in den letzten 10 Jahren durch dutzende wissenschaftliche Studien nachgewiesen. Man kann also bei der Einnahme von Curcuma nicht viel falsch machen, solange man auf den schwarzen Pfeffer nicht vergisst.
Einziges Manko: der Geschmack ist nicht jedermanns Sache. Auch hier gilt ähnlich wie bei Chili – gewöhnungsbedürftig. Wer mit dem bitteren, herben Geschmack von Curcuma allerdings gar nichts anzufangen weiß, dem sei zur Einnahme in Kapselform geraten.
Für die weniger Heiklen hier ein schnelles Rezept:
- ein Viertelliter heiße Milch (auch vegan als Mandel-, Reismilch oder dergleichen)
- ein Teelöffel Curcuma-Pulver
- ein Teelöffel Kokosfett
- eine Messerspitze gemahlener schwarzer Pfeffer
- Honig oder Zucker nach Lust und Laune
Das Rezept lässt sich auch gut in ein Frühstück auf Haferflocken- oder Grießbasis umwandeln.
5. CBD
Zum Thema Cannabidiol – kurz CBD, der rauschfreien Alternative zu THC aus Cannabis, wurde in den letzten 5 Jahren viel geschrieben und ebenso viele Produkte wurden auf den Markt gebracht.
Zur Erinnerung: Cannabis fällt in Österreich unter das Suchtmittelgesetz – offiziell wegen des berauschenden Inhaltsstoffs Tetrahydrocannabinol oder THC. Da Cannabis aber eben auch das nicht-berauschende CBD (und viele andere Stoffe und Substanzen) enthält, für welches viele medizinisch positive Effekte nachgewiesen werden konnten, wurden spezielle Züchtungen/Kreuzungen der Pflanze eingeführt, die kaum THC (Schwellenwert <0,3%) enthalten. Pflanzen bzw. Produkte, die diesen Schwellenwert nicht überschreiten, dürfen daher in Österreich völlig legal erworben werden. Kaufen kann man CBD-Öl sowohl online als auch in spezialisierten Shops, die es in der Zwischenzeit wie Sand am Meer gibt. Die Beschaffung sollte sich daher nicht als allzu schwierig erweisen.
CDB-Öl wird vielerorts als „Allheilmittel“ angepriesen. Wie so oft wirkt aber nicht bei jedem Menschen jedes Mittel gleich. Ein Versuch, der Winterpression mittels CBD-Öl den Kampf anzusagen, lohnt sich aber sicher, denn allein im letzten Jahr erschienen dutzende Studien zu dem Thema, welche die Wirksamkeit von CBD bei Depressionen bestätigen.
Gegen den Winter kann man nicht viel ausrichten. Fehlendes Sonnenlicht, weniger frische Lebensmittel, weniger Bewegung und Frischluft etc. tun einem nicht gut. Trotzdem gibt es ein paar Tricks, mit denen man den Winter einigermaßen unbeschadet überstehen kann. Und das Beste an der Sache: Der Winter geht vorbei. Ganz sicher.
Referenzen
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